Unternehmen nach ihrer Stimmungslage hat lange Tradition. Allerdings lassen sich aus den kurzzeitigen Stimmungswechseln kaum mittelfristig verlässliche Prognosen entwickeln. Aufschlussreicher sind mögliche Diskrepanzen zwischen der Stimmung der Wirtschaft und der Beurteilung der tatsächlichen Geschäftsentwicklung. 26 Wirtschaftsverbände haben eine positive Stimmung vermeldet. Jedoch 34 erwarten einen Produktions- und Umsatzsteigerung. Keine bessere Stimmung trotz größeren Umsatz, das klingt widersprüchlich. Eine Erklärung kann die erwartete Kurzfristigkeit der verbesserten Geschäftstätigkeit sein. Nach einem Strohfeuer wird einer längerfristig gleichbleibenden Wirtschaftsentwicklung misstraut. Dem Aufschwung wird keine Nachhaltigkeit zugetraut.
Bestätigt wird diese Vermutung durch die gleichzeitig prognostizierten Zahlen zur Beschäftigungsentwicklung. Nur in zehn Branchen wird trotz der guten Stimmung und der erwarteten Umsatzsteigerung zusätzliches Personal eingestellt. In ebenfalls zehn Branchen wird dagegen das Personal abgebaut, obwohl nur in sieben die Stimmung schlecht und nur in vier Branchen ein Umsatzrückgang befürchtet wird. Personalentscheidungen sind langfristig wirkende Entscheidungen und langfristig ist die Stimmung trüber als aktuell angegeben. Gleiches trifft auf die Investitionsentscheidungen zu. Nur in 16 Unternehmenszweigen, also nicht einmal die Hälfte der Branchen, die ein Umsatzplus erwarten, steigen die Neuinvestitionen.
Positive Entwicklungen werden insbesondere in den exportorientierten Branchen angenommen, allen voran im Maschinenbau. Dabei spielen die Ausfuhren in die EU-Staaten eine zunehmend geringere Rolle. China und die USA befeuern die Hoffnungen der Maschinenbauer. Allerding wird ihre Rechnung nicht aufgehen, wenn der Investitionsnachholbedarf der inländischen Unternehmen wieder nicht erfüllt wird. Der aber hängt von den Erwartungen der andern Branchen ab. Gesamtwirtschaftlich ist das einseitige Kaprizieren auf den Export ohnehin ein fragwürdiges Unterfangen, wenn er wieder einen Exportüberschuss bewirkt. Die fehlenden Importe verhindern den wohlstandsstiftenden Ausgleich der erbrachten Wirtschaftsleistungen.
Das langfristige Misstrauen in die Wirtschaftsentwicklung, das in vielen und selbst in prosperierenden Branchen besteht, beruht meistens auf der nüchternen Einschätzung, der kommende Umsatzzuwachs wird hauptsächlich durch staatliche Nachfrage hervorgerufen. Das betrifft vor allem die Bauindustrie, die nicht allein vom aktuellen Immobilienboom und der Flucht in das Betongold profitiert. Die im Koalitionsvertrag der neuen Regierung versprochene Auftragsflut im Straßenbau lassen zwar die Herzen der Tiefbauunternehmen höher schlagen, ihre Erfahrungen aber auch aufleben, dass staatliche Konjunkturankurbelung nie eine dauerhafte Sache war. Fällt diese wieder aus, heißt es, möglichst wenige intakte Maschinen herumstehen zu haben und möglichst wenige unkündbaren Mitarbeiter durchfüttern zu müssen.
Andere Punkte des Koalitionsprogramms verursachen dagegen eine schlechte Stimmung. So trägt der geplante Mindestlohn trägt dazu bei, den Ausbau des Personalbestands in den unteren Lohngruppen zu verhindern. Die spielen gerade in der Bauindustrie eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig gerät das begleitende Handwerk in eine Zwickmühle. Um die gestiegene Nachfrage abzudecken, wäre diese Branche gerne bereit, Personal aufzustocken – doch es fehlen geeignete Kräfte. Die beiden einschränkenden Entwicklungen in der Baubranche und im Handwerk führen dazu, dass in diesen Unternehmenszweigen die Probleme über Preiserhöhungen gelöst werden. Zur Entwicklung der Preise liegen jedoch keine Befragungsergebnisse der Branchen vor.
Wie überhaupt die bisher vorliegenden gesamtwirtschaftlichen Prognosen für das Jahr 2014 eher durch optimistische Wachstumshoffnungen als durch spielverderbende Inflationswarnungen geprägt sind. Die Bundesregierung und auch die ersten Wirtschaftsforschungsinstitute sehen nach dem mäßigen Wachstumswert von 0,4 Prozent im Jahr 2013 für das kommende Jahr einen Wachstumssprung um 1,8 bis 2 Prozent voraus. Nun ist es für eine Prognose aus Politikermund immer zweckmäßig, den Wert möglichst hoch anzusetzen. Liegt die tatsächliche Entwicklung darunter, kann dies stets unvorhersehbaren Negativeinflüssen angelastet werden. Ist dagegen die tatsächliche Entwicklung besser als vorhergesagt, wird dies selten der staatlichen Wirtschaftspolitik zugutegehalten.
Sie wendet sich sogar in Politikerschelte, wenn aufgrund der zu geringen Prognosewerte bei den anstehenden Lohnverhandlungen eine falsche Zurückhaltung geübt wurde. Gleiches gilt für die Inflationsprognosen, bei denen staatliche Stellen allerdings eine Unterschätzung bevorzugen. Schließlich wird ihnen (zurecht) eine gravierende Mitschuld an der Inflation zugewiesen. Lohnsteigerungen, die sich nur am Wirtschaftswachstum, aber nicht auch zusätzlich am Kaufkraftverlust orientieren, führen zu einer relativen Verarmung der Lohnempfänger. Werden also ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent und eine Inflation von ebenfalls 2 Prozent (der Wert, den die EU als tolerabel ansieht) prognostiziert, sollte nicht verwundern, wenn die Löhne im Jahr 2014 um 4 Prozent ansteigen. Ob das tatsächlich eintrifft oder nicht, entscheidet, welche Tarifpartei Grund zum Optimismus hatte.